Wer sich auf der Torgauer Strasse in Leipzig stadtauswärts bewegt, sei es per Auto oder Bahn, dem wird schon längst ein villenartiges Gebäude direkt neben dem VW Autohaus aufgefallen sein. Genauso erging es auch mir und da ich recht neugierig bin, wenn es um die alten Gebäude in der Messestadt geht, habe ich mich informiert und nachgeforscht. Den daraus resultierenden Beitrag liest du eben und dabei handelt es sich um eine traurige aber auch spannende Geschichte, denn wenn es um elternlose Kinder geht, dann wird es immer ein wenig bedrückend. Denn bei diesem Bau an der heutigen Torgauer Straße 331a handelt es sich um eben solch ein Kinderheim.

1907 errichtetes Gebäude als "Anstalt am Heiteren Blick"
1907 errichtetes Gebäude als „Anstalt am Heiteren Blick“

Die Geschichte des Gebäudes beginnt wie man sich denken kann schon viel früher, denn offenbar standen am selben Standort 2 Häuser dieser Art. So richtig schlau wird man manchmal nicht.

1.tes Gebäude

Für das erste, welches leider sich leider nicht mehr am Standort befindet, wurde ein Bauantrag schon im März des Jahres 1898 durch die „Stadtgemeinde Leipzig als Verwalterin der Fregeschen Stiftung“ beantragt. Jenen Entwurf, welcher schon 1897 erstellt wurde, unterschrieb Carl Bruno Tröndlin für die Errichtung einer „Bewahranstalt für verwahrloste Kinder“ im selben Jahr. Nach der Fertigstellung des Gebäudes mit einem Uhrturm samt Welscher Haube gegen 1899 wurde ein Antrag bei der Brandversicherungskasse für jenes gestellt. Im Bau an sich befanden sich neben Wohn- und Schlafsälen sowie Küche und Lehrerzimmer auch Lehrerwohnungen. Auf dem Dachboden waren neben dem Wäschedepot sowie der Kleiderkammer auch ein Krankenzimmer und Strafzelle beheimatet. Leider wurde dieses im Jahr 2007 durch Platzmangel des benachbarten VW Autohauses abgerissen.

"Anstalt für sittlich gefährdete Kinder" in Heiterblick, nach 1898
„Anstalt für sittlich gefährdete Kinder“ in Heiterblick, nach 1898 – Bildquelle. https://de-de.facebook.com/365bilder/photos/in-reih-und-glied-jungen-der-fregestiftung-anstalt-für-sittlich-gefährdete-kinde/907460216009970/

Das jetzige Haus

Das jetzt noch vorhandene Gebäude an der Torgauer Str. wurde erst im Jahr 1907 errichtet, nachdem der Bauantrag für ein neues Wohnhaus der „Anstalt am Heiteren Blick“ am jetzigen Standort durch Stadtbaudirektor Otto Wilhelm Scharenberg im selben Jahr unterschrieben wurde. Erbaut wurde ein Haus, welches eher einer Villa gleicht als einem Wohnheim für Kinder. Nur unschwer war die Ähnlichkeit zum Haupthaus zu erkennen. Dafür sorgte nicht nur die kleine in den Baukörper integrierte Veranda, welche auch am Hauptgebäude, jedoch großzügiger gestaltet, vorhanden war. Im Haus an sich waren im Erdgeschoss neben einer Küche Zimmer für rund 30 Jungen beheimatet. Eine Etage darüber befanden sich bis in das Jahr 1914 zwei Kammern für Mädchen sowie die Hilfslehrer, bis ein Umbau zum Zöglingsschlafsaal 1914 durchgeführt wurde.

ehemaliges Kinderheim an der Torgauer Strasse 331a
ehemaliges Kinderheim an der Torgauer Strasse 331a

Auch nach dem 2.ten Weltkrieg veränderte sich nichts in beiden Gebäuden. Eines hiervon wurde Durchgangsheim und das andere zum Spezialkinderheim Leipzig-Heiterblick unter der Adresse Torgauer Str. 351. Letzteres wurde ab dem Jahr 1987 bis 1994 unter dem Namen Spezialkinderheim „Hans Beimler“ geführt.

Unser 2.tes Gebäude wurde von 1997 bis 1999 grundlegend saniert und zum Gästehaus der Firma Gebr. Kamps ausgebaut. In einer Google Street View Aufnahme aus 2008 konnte man noch die Aufschrift „Gästehaus Präg“ am Gebäude erkennen, schon ein Jahr später steht nichts mehr an selber Stelle. Einige Jahre später konnte der Leerstand wohl bis heute im Dezember 2020 nicht verhindert werden. Mit verbarrikadierten Fenstern sowie Türen steht das ehemalige Kinderheim nun da und wartet auf neue Nutzung.

Nachtrag. Nach weiteren Recherchen bin ich mir sicher, dass es sich bei diesem Gebäude um die ehemalige Nr. 351 handelt, also um das Spezialkinderheim.

1907 als Kinderheim erbaut - nach der Wende als Gästehaus genutzt und nun im Dezember 2020 leerstand - Gebäude neben dem VW Autohaus Torgauer Strasse
1907 als Kinderheim erbaut – nach der Wende als Gästehaus genutzt und nun im Dezember 2020 leerstand – Gebäude neben dem VW Autohaus Torgauer Strasse

Comments

    1. Ja das stimmt ,war von 1968 bis 1970 in diesen brutalen Spezialkinderheim .Im Erdgeschoß waren die Klassenräume von vierte Klassen bis siebte Klasse und links in der Ecke die Heimküche .Im Ersten Stock war die Gruppe 1 mit einen Esszimmer einer Dusche zwei Schlafzimmer und ein Fernsehraum für beide Gruppen .Zweiter Stock auch ein Essraum zwei Schlafräume und Waschraum und Nähstube unter dem Dach mit Umkleideraum .Einige Erzieher waren Nazis Klaus Stübler ,Horst Seifert .und Dieter Lorenz und Peter Ansorge usw

    2. Ja, kann ich bestätigen. War auch dort. Das Haus war damals Schule, (ich war von 85 – 87 da) und Speisesaal. Insgesamt gab es 4 Gebäude. Das Backsteinhaus, 2 Baracken und nebenan der betonierte „Abschiebeknast“ für geflohene und wieder eingefangene Kinder. Das Backsteinhaus und eine Baracke stehen noch, eine Baracke und der Betonklotz wurden abgerissen. Geschlafen wurde übrigens in den Baracken. Im „Abschiebeknast“ war ich auch, nachdem ich Jahre vorher vom Kinderheim Eilenburg geflohen bin.

    1. Das stimmt. Zu meiner Zeit war es dann aber nur noch Schule und Speisesaal.
      Zu meiner Zeit gab es unter anderem die Erzieher Viola Kestler und Gerhard Leichsenring.

  1. Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen, die zeit die ich dort verbracht habe hat mich für mein Leben geprägt aber nicht im Positiven Sinn. Ich bin Von Bernburg damals überstellt worden und habe dort zwei Jahre verbringen müssen, mehr schlecht als recht. Aber was ich eigentlich sagen wollte keiner Spricht über den sogenannten Sonderbau gleich linke neben der damaligen einfahrt gegenüber des Heizhauses. Vergessen kann man das Objekt sein Leben lang sicher nicht aber es wurde als erstes nach der Wende schön platt gemacht das man nicht sieht wie mit heran wachsenden Kinder umgegangen wurde.

    1. Da hast du Recht. Der sog. „Abschiebeknast“ für geflohene und wieder eingefangene Kinder. Es gab Zwangsarbeit (Klammern und Kugelschreiber zusammenbauen), und nachts wurde man mit anderen in eine Schlafzelle mit verschlossener Tür und Spion als Guckloch gesperrt. Jeden Tag das gleiche bis man wieder in sein „Heimatheim“ abgeschoben wurde.

  2. Auch ich kann mich erinnern. Mein Spezi war der Schlüsselwerfende Herr Lohmann. Habe die Narbe als Andenken behalten müssen. Hinterm Haus war ein größeres Grundstück bis zu den Schienen und ein übler Schafbock mit Namen Goschka.

    1. Hi…
      Ja, der Lohmann war ein richtig mieses Schwein, brutal und menschenverachtend! 🤮

      Und dem dämlichen Schafbock Goschka habe ich es noch heute zu verdanken, dass ich noch immer Bauchschmerzen habe, wenn ich an den denke. Zwei mal hat der mich umgenietet bis ich es mit letzter Kraft über den Zaun geschafft habe, derweil war ich lediglich eines von vielen Kindern, welche sich für das Wohlbefinden der Schafe interessiert haben. Tja, die Strafe bekam das Vieh auf den Fuß, es wurde von Maden zerfressen, lebendig!

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