Der Leipziger Stadtteil Sellerhausen-Stünz gehört vielleicht nicht unbedingt zu den Vierteln der Industrialisierung in der Messestadt. Und dennoch kann man auch noch heute einige Relikte der damaligen Industriebauten entdecken, wenn man denn genau hinsieht. Zumindest ist heute noch ein kleiner gelber Klinkerbau einer sehr großen Fabrikanlage am Torgauer Platz zu finden, an dem heutzutage alle einfach nur vorbei fahren. Die einstige Fabrikationsstätte der ehemaligen „Deutsch-Amerikanische Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co.“ war genau an dieser Stelle beheimatet. Doch jetzt etwas zur Geschichte dieser gewaltigen Firma von damals.

das letzte Überbleibsel der damaligen Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co. in Sellerhausen - ein gelber Klinkerbau am Torgauer Platz
das letzte Überbleibsel der damaligen Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co. in Sellerhausen – ein gelber Klinkerbau am Torgauer Platz

Der im Jahr 1850 und unter 18 Geschwistern aufgewachsene Ernst Kirchner absolvierte eine Ausbildung als Schlosser. Kurz danach besuchte er Maschinenbaufabriken in Chemnitz sowie die dortige Werkmeisterschule für Maschinenbau. Auf den Reisen in das Ausland bemerkte er die technische Überlegenheit US- amerikanischer Maschinen für Holzbearbeitung. Somit kann man eigentlich sagen, das in diesem Moment der Grundstein für ein großes Unternehmen gelegt wurde. Denn auf dem oben genannten Areal am Torgauer Platz befand sich in den 1870iger Jahren eine kleine mechanische Werkstatt, in die sich Ernst Kirchner einmietete. Am 1. Juli des Jahres 1878 wurde die „Deutsch-Amerikanische Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co.“ mit 30.000 Mark, teils durch eigene Ersparnisse sowie einen Kredit, gegründet. Anfänglich hat man sich mit 17 Mitarbeitern auf den Bau von Holzbearbeitungsmaschinen spezialisiert.

Industriebauten der Stadt - hier im Stadtteil Sellerhausen-Stünz stand einst eine große Fabrikanlage der Deutsch-Amerikanischen Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co.
Industriebauten der Stadt – hier im Stadtteil Sellerhausen-Stünz stand einst eine große Fabrikanlage der Deutsch-Amerikanischen Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co.

Doch schon einige Zeit später feierte man die Fertigstellung der einhundertsten Maschine, einer Bandsäge. Im Jahr 1887 waren schon 200 Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt, welches aus diesem Grund Neubauten errichten musste. Auch die Vielfalt der Erzeugnisse wuchs an und somit wurden neben Blockband-, Kreis- und Gattersägen, Hobel-, Fräs- und Bohrmaschinen und Drehbänken auch Maschinen zur Herstellung von Sperrholz sowie komplette Sägewerksanlagen im Leipziger Stadtteil Sellerhausen produziert. Sogar König Albert persönlich besuchte die Firma anlässlich der Fertigstellung der 10.000 Maschine. Im Jahr 1897 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, wobei im selben Jahr die 40.000 Maschine ausgeliefert wurde. Neben den vielen Zweigstellen in europäischen Städten kümmerte sich Kirchner um die Bekanntheit der Firma im ganzen Land, wobei die Holzbearbeitungsmaschinen auch in das Ausland wie Südamerika und Ostasien exportiert wurden.

ehemalige Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co. in Sellerhausen
ehemalige Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co. in Sellerhausen

Nach dem Tod des Inhabers Ernst Kirchner im Jahr 1926 übernahm sein gleichnamiger Neffe die Leitung des Unternehmens, welches zu diesem Zeitpunkt 2500 Beschäftigte hatte. Auch die Weltwirtschaftskrise machte der Fabrik zu schaffen. Nach dem 2.ten Weltkrieg wurde der Betrieb 1946 wie viele andere in Volkseigentum überführt und wurde zum Mitteldeutschen Holzbearbeitungsmaschinenbau, kurz VEB Mahoma. Schon bald wurde der Betrieb auf die Produktion von Spanplatten umgestellt und somit eine Voraussetzung für den Aufbau einer Möbelindustrie in der DDR geschaffen. 1953 wurde der Betrieb dem VEB Fräsmaschinenbau Leipzig zugeordnet, welcher spezielle Schleifmaschinen fertigte. Im Jahr 1970 wird der Volkseigene Betrieb Mihoma als Werk IV dem VEB Mikrosa zugeordnet und es wurden Außenrundschleifmaschinen hergestellt, welche vor allem in die Sowjetunion exportiert wurden. Mit dem Ende der DDR kam auch das Ende der Fabrikanlagen, welche 1990 fast alle abgerissen wurden. Einzig und allein blieb ein gelber Klinkerbau von 1900 übrig, der die rechte Seite des Werkseingangs bildete. In diesem ist heute in Weinladen beheimatet. Wenigstens ist dieses eine Relikt der einstigen Industriebauten in diesem Stadtteil erhalten geblieben, welches immer an die einstige Maschinenfabrik Ernst Kirchner & Co. erinnern wird.

Einige tolle Fotos einer alten Holzbearbeitungsmaschine sendete mir Martine Pluberg zu. Direkt im tropischen Regenwald befindet sich eine vermutlich alte Säge der Firma. Unterschrieben wird dies ausserdem noch mit der dazugehörigen Aufschrift „Kirchner Leipzig“. Vielen, lieben Dank dafür an Martine Pluberg.

Comments

  1. Guten Tag, ,ich komme gerade aus Pemba/Sansibar Archipel und habe dort im tropischen Wald alte Holz-bearbeitungsmaschinen der früheren Fa. Ernst Kirchner entdeckt. Wie kann ich Ihnen diese Fotos zukommen lassen?

    1. Guten Tag Martine Pluberg,

      Fotos und Bilder der alten Maschinen finde ich immer eine sehr interessante Sache. Ich habe Ihnen per Mail meine Adresse gesendet, sodaß Sie mir die Fotos gern zusenden können.

      Vielen Dank und Gruß
      Swen Junge

      1. Guten Tag, Entschuldigung für mein Deutsch, ich verwende Google Translate. Mein Name ist Yamil Zoccola und ich lebe in Argentinien. Ich besuche regelmäßig den argentinischen Ruderclub und in seiner Schreinerei gibt es eine Ernst Kirchner Maschine. In sehr gutem Zustand und noch in Gebrauch. Wenn möglich, möchte ich die Fotos und vielleicht ein Video teilen. Grüße und danke

        1. Hallo Yamil Zoccola,

          vielen dank für deinen Kontakt. Ich würde mich sehr über deine Fotos und auch das Video freuen.

          Viele Grüße nach Argentinien
          Swen Junge

  2. Guten Tag,
    Mein Großvater hat eine ähnliche Maschine wie auf dem Foto in der Slowakei. Er hat sein ganzes Leben an dieser Maschine gearbeitet und wir möchten ihn in ein Museum bringen. Wissen Sie nicht auch, wo sich diese Maschine befinden könnte? Gerne sende ich Ihnen Fotos zu. (Entschuldigung ich benutze Google Translate)
    Danke!

    1. Hallo Katarina,

      lieben dank für deinen Kommentar. es ist sehr schön zu hören, dass ihr Großvater auch an so einer Maschine gearbeitet hat. Sehr gern nehme ich Fotos und kann diese hier präsentieren. Wo kommen Sie denn her?

      Gruß Swen Junge

      1. Hallo Swen,

        Danke für die Antwort. Meine Familie stammt aus der Slowakei, wo sich Vollgattersäge befindet. Ich denke, dass es um 1925 hergestellt wurde. Mein Großvater hat es renoviert und bis zu seinem Tod im Jahr 2010 daran gearbeitet. Diese Woche werde ich Fotos machen, die ich Ihnen schicken würde. Würden Sie mir bitte eine E-Mail senden?
        Danke!

        Katarina

        1. Hallo Katarina,

          das klingt sehr gut. Ihr Großvater hat Sie sogar renoviert. Es ist wichtig, so alte Geräte zu erhalten. Ich habe Ihnen eine Mail gesendet, an die Sie die Bilder senden können.

          Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
          Swen

    1. Guten Tag Herr Weber,

      sehr gern kann ich Ihre Bilder hier auf der Seite posten, wenn Sie es denn möchten. Bitte senden Sie die Fotos an die angegebene Mail Adresse info@leipzig-days.de

      Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
      Swen Junge

  3. Ich habe da einen Prospekt (Faltblatt) der Fa. Kirchner indem eine Menge Holzbearbeitungsmaschinen dargestellt sind. Kann den jemand brauchen?

  4. Hello, my name is Rafael Avila I’m writing from Costa Rica.
    My family use o have a wood shop in San Jose “Mueblería Avila-since 1928” and my great grandfather bought all his machinery in 1936,
    I did a video back in 1994 the week that my Grandfather was retiring from the wood shop and about to sell all the Kirchner machinery; on the video you can actually see a saw machine Kirchner Leipzig 1879 in use that was bought to a German representative that use to sell them in Central America.

    Hier das Video
    https://youtu.be/_NZzX84ISps

  5. Was sind alte Maschinen dieser FA heute noch Wert? Wir haben eine Dickenhobelmaschine dieser Firma, die meinem Großvater gehörte, im Familienbesitz. Diese wurde seit mehr als 30 Jahren nicht benutzt und alle sich drehenden Teile sind immer noch leichtgängig und die gesamte Mechanik voll in takt. Wohl gebaut für die Ewigkeit.

    1. Hallo Herr Lindner,

      vielen Dank für Ihren Kommentar. Welchen Wert diese Maschinen heutzutage haben, weiß ich persönlich nicht, aber vielleicht liest jemand diesen Kommentar und hat etwas Ahnung. Mit für die „Ewigkeit“ gebaut haben Sie wahrscheinlich recht, nicht wie bei anderen Bauteilen in der heutigen Zeit.

      Danke und Gruß
      Swen Junge

  6. Hallo Herr Junge,
    habe eine große alte Bandsäge von Kirchner.
    Der Sägeblattschutz ist wohl neu angesetzt worden wegen der Berufsgenossenschaft als Arbeitsschutz.
    auf der Säge sind noch Plaketten von der Weltausstellung von 1900 in Paris.
    Kann es sein, dass die dort ausgestellt war. Habe auf der Bandsäge noch Brennholz geschnitten.
    Gruß Ulrich

  7. Ich habe auch noch ein bisschen Zeit und werde noch gerne ein Video machen von der Tischlerei machen und ihnen senden wenn sie Interesse haben sollten. Eine Abrichte, Und eine Dickenhobelmaschiene sowie die. Messerschleifmaschiene die dazu gehört. Roberto Lipstreich

  8. Sehr geehrter Herr Junge,
    es ist schön, dass Sie dem Unternehmen Kirchner & Co. Aufmerksamkeit erwiesen haben. Leider sind Ihre Aussagen zum Unternehmen VEB Mihoma, also der Arbeit nach 1946 nicht korrekt. In der Mihoma wurden keine Spanplatten, sondern weiterhin hochwertige Holzbearbeitungsmaschinen hergestellt. Im Katalog des Holzbearbeitungsmaschinenbauhandels der DDR von 1966 findet man ein umfangreiches Sortiment an Holzbearbeitungsmaschinen der Mihoma bis hin zu kompletten Fertigungslinien für die Möbelteilefertigung.
    Spanplatten stellte der VEB Holzveredelungswerke Wiederitzsch seit 1948 her. Anlagen für die Spanplattenfertigung wurden in Böhlitz-Ehrenberg und Rückmarsdorf hergestellt.
    Die Fertigung von Holzbearbeitungsmaschinen wurde Ende der 1960iger Jahre in der DDR weitgehend eingestellt, weil nach einem Beschluss des RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) die Fertigung von Holzbearbeitungsmaschinen von anderen Ländern (Bulgarien, Polen u.a.) übernommen werden sollte. Leider funktionierte das nicht und die Möbelindustrie der DDR hatte schwer unter dieser Entscheidung zu leiden. Der VEB Mihoma wurde dann zu Mikrosa und fertigte Innenrundschleifmaschinen.

  9. Ich habe eine kirchner leipzig 1878 woodworker Maschine in Israel. Jemand weiß, wo man sie ins Museum stellen oder außerhalb Israels verkaufen kann

  10. Guten Tag
    wir haben noch Kirchner Maschinen Bandsäge – Hobel und noch 3 Maschinen alles angetrieben noch mit breitem Riemen so um 1900
    Wer kauft sowas ? fürs Museum ? Kontaktadressen ?
    Für die Hilfe bedanke ich mich

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